Das Kind
Das KIND
Ein Kind will und braucht einfache und verlässliche Dinge und allen voran, eine stabile Mutter-Vater-Kind-Beziehung. Ein Kind will Liebe, Zuneigung, Vertrauen, Verlässlichkeit, Stabilität und Anerkennung. Ein Kind braucht ein liebevolles, stabiles, wohlwollendes und förderndes Milieu, um zu einem Erwachsenen heranzureifen und bestenfalls genügend Kraft, für ein ganzes Leben zu haben.
So kann ein Kind, mit einer solch liebevollen und wohlwollenden Kindheit, ein in sich fest verankertes Selbstbild und eine Selbstwirksamkeit entwickeln und der Außenwelt auch später, als Erwachsener, kraftvoll und stabil begegnen.
Dem Kind sind Eltern, die ihm Liebe schenken und Zeit mit ihrem Kind verbringen und ihm wohlwollendes Vorbild sind, lieber als alles Materielle, alles andere. Man muss kein Prophet sein, um sich vorstellen zu können, dass sich das Kind in einem liebevollen Wachstumsmilieu anders entwickeln kann, als in einem kühlen, lieblosen, gewaltvollen, zerstörerischen Milieu, mit übelsten Verhaltensweisen der Bezugspersonen. Wie wird sich ein Kind wohl fühlen, das anstatt liebevolle, wohlwollende Begleitung, nur lieblose und zerstörerische und negativ exzessive Bilder und Gefühle verinnerlicht. Der Psychologe Paul Watzlawik weist mit seiner speziellen Formulierung, dass man in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein könne, auf die fundamentale Bedeutung des Elternhauses hin.
Statt sich auf einem stabilen Selbstverständnis zu einem reifen Menschen entwickeln zu können, was übrigens jedem Kind zustehen sollte, kann eine unsichere und instabile, zerrissene und sich seines Selbstwertes nicht bewusste Existenz, entstehen. Jeglicher Entwicklungsversuch des Kindes, kann sogar von Seiten des Milieus, der „Eltern“ niedergetrampelt und in Frage gestellt werden. Ob dies durch die „Eltern“ nun wissentlich oder unwissentlich geschieht, sei auf den Einzelfall dahin gestellt, je nach Ausstattung mit Fähigkeiten bzw. Unfähigkeiten. Es gibt also verschiedene Szenarien, in denen ein Kind aufwachsen kann.
Wer einen bewusst liebevollen und wertschätzenden Umgang im Elternhaus erfahren hat, wird eher dazu neigen, auch einen solchen Umgang für sich und seine eigene Familie haben zu wollen. Oft wird man sehen, dass Kinder als Erwachsene das nachleben, was sie eben als Kind gelernt und erlebt haben. Ein Kind ahmt seine „Vorbilder“ nach, sei es so oder so. Nicht vielen Kindern, wird es als Erwachsene vergönnt sein, ihre „negativen Vorbilder“ über Bord zu werfen, loszulassen und ein neues Leben in Liebe und gegenseitiger Wertschätzung, mit einer eigenen liebevollen Familie zu leben. Wenn man in der Lage ist, wie auch immer, zu erkennen, etwas verändern zu wollen, braucht man möglicherweise die zweite Hälfte seines Lebens, um den Mist, dem man in der ersten Hälfte seines Lebens erfahren hat, zu bearbeiten und loszuwerden.
Ein Kind könnte vielleicht versuchen, sich im Verlauf seines Lebens, stellvertretend in der Gesellschaft Liebe und Anerkennung zu holen, in dem es sich möglicherweise überengagiert und nach Geltung sucht. Ein anderes Kind wird sich vielleicht eher von der Gesellschaft distanzieren und in sich zurückziehen und möglicherweise in sich, nach verborgener Liebe und Anerkennung suchen und sich fragen, warum das ersehnte im Inneren nicht da ist.
Durch kindliche Traumatisierungen, könnte stellvertretend für die kindliche Emotion, die Verletzung, das Verdrängte und Verborgene, das Bild eines Eisbergs im Heute, im Hier und Jetzt, vor dem inneren Auge erscheinen. Das dumpfe, sehr unangenehme und permanent in die Tiefe ziehende Gefühl, das wie ein unendlich schweres Gewicht abwärts will, malt das Bild des Teils des Eisbergs, der unter der Wasseroberfläche verborgen ist und den größten Teil ausmacht. Nicht zu sehen, kaum zu erahnen und übermächtig und lähmend vor Angst.
Was gerade noch zugelassen und gewusst wird, entspricht der Eisbergspitze. Der weitaus größere Teil, das Verdrängte, das Unzugängliche und das Leben bestimmende, ist weit unter der Oberfläche, in der unzugänglichen Tiefe verborgen. Immer wieder aufs Neue, drängen Bilder und Impulse aus der Tiefe, dem Unterbewussten, an die Oberfläche und lassen das Verborgene erahnen.
Möglicherweise zwingen sich die frühen Bilder immer wieder auf, als eine Art der ewigen Wiederholung des Argen, im Sinne von, ewig grüßt das Murmeltier, weil in dessen Bearbeitung die Erlösung und persönliche Weiterentwicklung liegt. Die immer wiederkehrenden Bilder, Gefühle und Gedanken, erinnern daran, dass noch etwas offen ist, das bearbeitet werden will. Man könnte diesen sich immer wieder wiederholenden Vorgang, im Licht von Freuds beschriebenen Wiederholungszwang betrachten.
Das Kind spricht:
„Ich spiele eine große Rolle im Spiel der Entwicklung des SELBST, wenn nicht gar die Hauptrolle. Ich nehme mit meiner Unsicherheit, Instabilität und gefühlten Wertlosigkeit, großen Einfluss auf alle Facetten des SELBST. Alle Anteile sind auf mich ausgerichtet und von mir, durch meine vielen, tiefen Verletzungen, wissentlich und unwissentlich beeinflusst. Durch meine besondere Entwicklung, sind viele Verbindungen der inneren Anteile des SELBST entstanden. Viele Interaktionen der Anteile untereinander, sind durch mich berührt. Dies ist nicht gleich zu erkennen und zeigt sich erst im Verlauf genauer, distanzierter Betrachtung. Womöglich ergibt sich dann auf dem weiteren Weg die Möglichkeit, wenn die geistigen und emotionalen Fähigkeiten und der Mut vorhanden sind, die gefühlte Unsicherheit und Instabilität, als ein inneres verlässliches, wiederkehrendes und stabiles Muster, anzuerkennen und zu akzeptieren. Vielleicht, muss ich zunächst die vielen offenen Fragen, selbst lieb haben, um eines fernen Tages, ohne es womöglich zu merken, in die Antworten hinein zu leben (Rilke).
Doch noch und für noch lange Zeit von hier aus gesehen, fühle mich klein und hilfsbedürftig. Ich suche Geborgenheit, Schutz, Liebe und Zuneigung. Ich habe Gefühle und Bilder in mir, die bis hierher in meinem Bewusstsein sind und bis in meine frühesten Zeiten zurückreichen. Es sind Bilder, die schöne Geschichten mit meinen lieben Großeltern erzählen und Bilder, die vom Toben und spielen mit meinen Kameraden berichten. Aber es gibt auch eine Menge dunkler, trüber Bilder, die über mir, wie eine schwarze, tödliche Wolke hängen.
Soweit ich mich zurückerinnern kann, bin ich zwischen den sich aufreibenden Anderen. Die Andere hat mich wie eine Art Schutzschild „benutzt“, zwischen sich und dem Anderen. Das gleiche Spiel vollzieht sich regelmäßig, seit ich denken kann, von Klein an. Der Andere kommt nur am Wochenende nach Hause. Statt direkt nach Hause, hat der Gang in die Kneipe, für den Anderen, erste Priorität. Dann läuft alles wie automatisiert ab. Er taucht dann abends spät, stock besoffen, zu Hause auf. Nach ausufernden verbalen und teils körperlichen Attacken, endet das Trauerspiel stets in Trümmern und Erbrochenem. Ich kenne den Anderen nur besoffen. Für mich ist er völlig unverständlich in seinen Äußerungen, Reaktionen und seinem Verhalten. Ich habe Angst und empfinde Ekel, je näher wieder jeder Freitag rückt.
Ich möchte die Anderen hier nur auf die „Erzeuger“ reduzieren. Deshalb spreche ich hier aus der Distanz von den Anderen. Es war die Sehnsucht nach „Eltern“, die bis zuletzt unbeantwortet blieb und so blieben die Anderen, dann auch bis zuletzt doch die Anderen.
Ich fühle mich zerrissen und als Puffer zwischen den Anderen und deren Themen missbraucht. Ich spüre in mir eine Sehnsucht nach Liebe und Zuneigung, die ich von diesen anderen Menschen bekommen möchte. Ich spüre gleichzeitig eine Störung, die im Raume steht, ohne diese begreifen zu können. Ich fühle diese Störung, als diffuses Unwohlsein, in mir. Ich fühle zunehmend diffuse Angst, Unsicherheit und Instabilität.
Zu dieser Zeit, weiß ich noch nicht, dass die Anderen ohne Fähigkeiten sind, was die Belange und Bedürfnisse eines Kindes, von mir, angeht. Es sind eben die Anderen mit eigenen Störungen, in ihrer eigenen Geschichte, die hier in meiner Kindheit Auswirkungen zeigen. Ich werde regelmäßig von den Anderen in meiner Bemühung um Reifung und Wachstum sabotiert, anstatt durch liebevolle, wohlwollende Begleitung, in meiner Person aufgebaut.
Ich empfinde keinen Hass den Anderen gegenüber, da ich in der starken Hoffnung lebe, irgendwann die ersehnte Liebe zu bekommen. Eher fühle ich zeitweise Wut, weil ich immer noch auf die Liebe warten muss.
Ich rebelliere nicht gegen die Anderen. Ich suche vielmehr in mir, nach dem Warum. Trage ich die Schuld, dass ich keine Liebe von den Anderen bekomme? Liegt es an meiner Person, dass sich die Anderen so verhalten? Ich kann es zu dieser Zeit nicht zuordnen. So trage ich Störungen, die mir von den Anderen übergeben werden, weiter und weiter in mir. Ich bin doch ein Kind und es muss doch alles gut werden. Aber es fühlt sich nicht stimmig und gut an. Es wird mich weiter begleiten, dass andere stets vorgeben zu wissen, was gut für mich sei. Nur hat es sich nie gut für mich angefühlt. Vielmehr war ich gezwungen selbst für mich zu sorgen, ohne lange zu wissen, was Selbstsorge überhaupt bedeutet.
Ich weiß ja hier noch nicht, dass ich für deren Unzulänglichkeiten, Unfähigkeiten und Störungen stellvertretend benutzt, ja missbraucht werde. Es geht im Spiel der Anderen nicht um mich, sondern rein um die Anderen. Somit werde ich von den Anderen komplett ignoriert und völlig vernachlässigt, was meine Belange angeht. Genau dieses Gefühl steckt tief in mir fest und durchdringt mich mit erschütternder und lähmender Wertlosigkeit.
Ich bin ein Kind, wie sich noch herausstellen wird, „psychisch gestörter Eltern“ und fühle mich wie viele Kinder solcher „Eltern“, zerrissen, unsicher, instabil, wertlos und mit einer Notkompetenz ausgestattet. Die Notkompetenz dient allein, der Übernahme der Verantwortung der Elternrolle (Parentifizierung), stellvertretend für die Anderen, wenn diese durch ihre Störung aus ihrer Rolle fallen. Die Frage ist natürlich die, ob die Anderen wirklich je einmal überhaupt, in der wahren Elternrolle gewesen sind. Ich bin davon überzeugt, dass diese gar nicht wissen, was Elternsein, überhaupt bedeutet!
Aber was macht das aus mir? Ich bin vielmehr ein Instrument in diesem Mikrosystem, als ein Wesen mit meinen Bedürfnissen, die nicht gesehen werden und unbeantwortet bleiben. Statt das zu bekommen, was ich brauche, bin ich vielmehr der Spielball, im Spiel um gegenseitige Zerstörung der Anderen.
Noch stelle ich mir hier die (Schuld-) Frage, ob es an mir liegt, dass ich keine Liebe und Zuneigung bekomme, mich instabil, unsicher und wertlos fühle. Nur ist mir dies in diesem, meinem Alter, natürlich nicht klar. Es hat mit mir persönlich nichts zu. Es ist so gegeben und ich bin mit meinem Dasein, in das Hier und Jetzt geworfen. Zunächst mir selbst in meinem Sein überantwortet, jedoch mit der Möglichkeit des Erschließens der Eigentlichkeit (Sich-Selbst-Sein-Können; Selbstsorge) oder Uneigentlichkeit (verfallen an das „man“, an die durchschnittliche Alltäglichkeit) (Heidegger).
Ich erlebe schon früh, die wechselnden Männerbekanntschaften der Anderen, die mich sehr irritieren, beschämen, verwirren und in mir das Gefühl der Unsicherheit weiter befeuern. Fremde kommen in unser Haus und die Andere trifft sich mit männlichen Fremden und hat mich mit dabei. Ich werde bei solchen Treffen im Auto mitgeschleppt und muss mit ansehen, wie die Andere zu Fremden nett ist, was mich vollends irritiert.
Wieder ein Morgen, an dem ein Fremder am Frühstückstisch auf meinem Platz sitzt, auf dem ich eigentlich sitzen sollte, um zu frühstücken, bevor ich alleine in die Schule gehe. Wenn ich in der Pause etwas zu essen haben will, muss ich mich alleine darum kümmern oder eben hungern. Pünktlich in die Schule zu gehen ist mir überlassen. Dazu muss ich erst einmal aus meinem Zimmer herauskommen, denn von Zeit zu Zeit, ist wieder ein Morgen, nach wieder einer dieser Nächte der Anderen, an dem ich nicht aus meinem Zimmer herauskomme, ohne durch Erbrochenes zu waten. Mir sind Beschreibungen von außerhalb in Erinnerung, die die Andere mit der Nitribit verglichen. Diese niederschmetternde Scham, dieser Ekel, frisst mich auf. Womöglich ist aber der Vergleich der Anderen mit der Nitribit, gar eine Beleidigung für die Nitribit.
Wenigstens ein paar nette, liebe Worte. Das ist das, was ich mir sehnsüchtig wünsche. Stattdessen, werde ich niedergebrüllt, abgewertet und für mich ohne erkennbaren Grund geschlagen. Ich sei im Weg und störe. Ich, mit meiner Existenz und auch noch Wünschen und eigenen Gedanken und Ideen.
Schläge mit dem Kochlöffel von der Anderen, sind mir von Klein an, gut in Erinnerung. Auf meine spätere Nachfrage, welche Zuwendung ich denn bekommen hätte, entgegnete die Andere, dass ich viel weniger Schläge bekommen hätte, als mir eigentlich zugestanden hätte. Obendrauf bekam ich von der Anderen noch mitgegeben, dass ich überdies von ihr, nicht in meiner Scheiße liegen gelassen worden wäre. Das ist also deren Vorstellung von Zuneigung. Das ist aber nicht die Art Liebe und Zuneigung, die ich mir gewünscht und vorgestellt hatte.
In der Schule zu bestehen, ist alleine meine Aufgabe. Aufgaben und Arbeiten jeder Art erledige ich selbständig. Ich bin völlig auf mich alleine gestellt. Wie sich weiterhin herausstellt, wird dies auf mein weiteres Leben, bis heute, zutreffen. Es gibt keine Erinnerung in mir, die von gemeinsamen Erlebnissen irgendeiner Art mit den Anderen, in Kindergarten- oder Schulzeit berichten. Mir drängt sich die Frage auf, ob der Andere überhaupt meinen Kindergarten- und Schulbesuch mitbekommt. Interesse an mir und Anteilnahme an meinem Leben, kenne ich nicht in keinem Bereich meines Daseins. Ich habe die Anderen eigentlich nur gestört. Kind als Störfaktor, bis zuletzt. Dementsprechend wurde ich behandelt und dementsprechend fühle ich mich auch. Wertlos!
Wenn ich lachte, unterstellte mir die Andere, wie dumm ich sei, da es aus deren Sicht, nichts zu lachen gäbe. Was tiefer blickend und die Anderen betreffend, ja letzten Endes auch stimmt. Nur war das von der Anderen, in der Situation, nicht so gemeint. Egal welche Gedanken und Gefühle ich äußerte, jeglicher Ausdruck, welcher Art auch immer, wurde von der Anderen abgewürgt und so bewertet, als wäre ich nicht von dieser Welt.
Das ist es auch, was das Paradoxe, das Widersprüchliche, das Verstörende an den Anderen ausmacht. Sie sind nur mit sich beschäftigt, mit ihrer eigenen Verstörtheit. In ihrer Verstörtheit, behaupten die Anderen auch noch mich zu kennen. Ich sei so faul und würde nichts mithelfen. Dabei helfe ich doch mit, die Fassade einer funktionierenden Familie, aufrecht zu erhalten. Ich rebelliere nicht gegen das Unrecht und die üble Behandlung, die mir widerfährt. Das ist so ungerecht, gemein und oberflächlich und entzieht sich jeglicher Beschreibung.
Ich fühle und verliere mich in Leere, Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit. Ich habe keine Sprache, keine Wörter für diesen Zustand, für den es eigentlich ja auch keine Sprache gibt. Wo ist hier die Hilfe, der Beistand an meiner Seite, der mir zeigt, dass nicht ich der Gestörte bin, sondern die Störung außerhalb von mir ist und mich mit in die Tiefe reißt und mir suggeriert, dass ich auch noch schuld daran sei, nicht gut sei, wertlos sei.
Es ist für mich erschreckend, dass die Zeit seit meiner Erinnerungsfähigkeit bis hierher, nur von den gleichen immer wiederkehrenden Szenarien mit den Anderen geprägt ist. Überhaupt, hängt dieser Erinnerungskomplex über mir, wie eine böse Unwetterwolke, die nicht weiterzieht.
Die Väter meiner Fußballkumpels haben ihre Söhne immer begleitet. Ich sehne mich nach der Unbeschwertheit meiner Kumpels, nach deren Familienleben mit Vater und Mutter. Das familiäre Leben meiner Kumpels zeigt mir, wie ein Kind leben sollte. Ich nehme Anteil an deren Miteinander und sauge die Erfahrung in mich auf. Diese Erfahrung bildet für mich, neben dem Miteinander mit meinen Großeltern, eine weitere emotional-soziale Basis.
Es ist womöglich diese ländlich-bürgerliche Sozialisation, mit teils Vorbildfunktion und einer Art Kontroll- und Leitfunktion, die mich insgesamt auffängt und vor einem tiefen Absturz in Gewalt und Alkohol bewahrt.
Die Sehnsucht in mir, nach eine heilen Familie mit Vater und Mutter, wächst und wächst, je mehr ich unsere kleine Vater-Mutter-Kind-Welt und die Welt um mich herum wahrnehmen kann. Ich vergleiche, je älter ich werde, meine Innen- u. Familienwelt, mit der Außenwelt. Wie kriege ich die Liebe und Verlässlichkeit, die ich brauche? Was kann ich tun, wie muss ich sein, damit ich geliebt werde? Diese Fragen sind mir zu der Zeit nicht bewusst. In mir brennt ein sehnsüchtiges Gefühl nach dem, das in Familien meiner Spielkameraden wahrnehme. Das möchte ich auch haben. Diesen fürsorglichen, wohlwollenden und liebevollen Umgang miteinander.
Ein Beispiel, das meine Sehnsucht beschreibt und das mich nicht loslässt, handelt vor Weihnachten, ist als ich elf Jahre alt war. Ich fahre vor Weihnachten alleine mit dem Zug in die nächstgrößere Stadt, um ein Geschenk für die Anderen zu kaufen. Es ist für mich ein besonderer Zauber, alleine mit dem Zug zu fahren, um ein Geschenk zu besorgen. Meine Idee, ein tolles Weihnachtsgeschenk für die Anderen auszusuchen, ist für mich etwas Großartiges. Ich entdecke im Laden eine kleine Holztruhe, die einer Schatztruhe gleicht. Mit einem Gefühl von Bewunderung für mich selbst, dass mir mein Ausflug voll und ganz gelungen ist, kehre ich nach Hause zurück. Als ich an Weihnachten mein Geschenk überreiche, hoffe ich von den Anderen mit Liebe und Anerkennung für meine Leistung, dieses Geschenk beschafft zu haben, überhäuft zu werden. Doch ich bekomme von der Anderen nur zu hören, was sie damit machen solle, mit diesem Holzding, das nehme nur Platz weg und verstaube. Ich bin am Boden zerstört. Wieder einmal bleiben meine Sehnsüchte unbeantwortet. Statt ins Positive, verkehrt sich die Situation ins abwertend Negative.
Die Schatztruhe, hat doch Parallelen zu mir selbst. Ich bin auch eine Schatztruhe, reich an Liebe, Gefühlen, Ideen, Sehnsüchten. Ich will auch entdeckt werden. Die Entdecker sollen sich darüber freuen, über das Besondere, das in mir steckt. Die Entdecker und Würdiger und Bewunderer von mir, dem besonderen Schatz, sind für mich meine ersehnten Eltern. Doch sind und bleiben es, bis zum bitteren Ende, die Anderen. So nimmt meine Kindheit weiter ihren Lauf.
Doch wie mir heute zunehmend klar ist, können sie nicht erkennen und erfühlen, was sie vor ihren Augen und um sich herum haben und hatten. Die Anderen haben bestimmte Fähigkeiten von der Natur nicht mitbekommen und haben auch nicht die Fähigkeit diese zu erwerben.
Gott, sei Dank, dass im Erdgeschoss im Haus noch meine lieben Großeltern leben. Soweit ich mich erinnern kann, Tag und Nacht, flüchte ich, so oft ich nur kann, zu meiner lieben Oma und meinem lieben Opa. Meine liebe Oma ist immer für mich da. Sie gibt mir Liebe und Verlässlichkeit. In meinen Erinnerungen ist sie immer in der Küche anzutreffen. Hier ist es immer warm, durch den Holzofen und emotional durch ihr liebevolles Herz. Sie umsorgt mich mit Liebe und allerlei Leckereien. Mit meinem Opa bin ich oft durch Wald und über Wiesen unterwegs. Als wir wieder einmal im Wald unterwegs waren, ritzen wir unsere Initialen in eine Eiche. Die Eiche steht heute noch und unsere Initialen sind noch gut sichtbar. Ich lerne durch meinen Großvater die Natur kennen und lieben, was mir heute rückblickend klar wird. Meine lieben Großeltern sind meine gefühlten Eltern, die ich mir sehnlichst wünsche.
Zwei Wochen nach meinem fünfzehnten Geburtstag, stirbt meine liebe Oma. Ein halbes Jahr später, stirbt mein lieber Opa. Dieser Verlust, der für mich auch Verlust jeglicher Zuflucht bedeutet, ist für mich ein weiteres Trauma. Jetzt bin ich ganz allein. Ich bin nur noch den irren, verstörten und unberechenbaren Anderen ausgesetzt.
Im Gesamten und aus zunehmender Distanz betrachtet, kann ich dieses Konglomerat der Anderen, nur vor dem Hintergrund deren Verstörtheit, gepaart mit abwesender Intelligenz bzw. anwesender Dummheit, betrachten. Eine sonstige Herangehens- und Betrachtungsweise, führt nur zur völligen Irritation und birgt die Gefahr, dass solche Menschen, jeden in ihrer unmittelbaren Umgebung, mit in die Tiefe reißen.
Nach dem Tod meines lieben Opas, finde ich in seinem Schrank eine Pistole, die aus dem zweiten Weltkrieg stammte. Ich behalte die Pistole drei Jahre, bevor sie mir weggenommen wird. Die Pistole ist für mich ein Symbol für Leben und Tod. Ich kann entscheiden, wer lebt und wer stirbt. Ich habe eine Option, meinen lieben Großeltern zu folgen und gleichzeitig die Option, die Anderen zu töten. Irgendetwas in mir entschied sich für das Leben und gegen das Töten und den Tod.
Heute weiß ich, dass mein weiser Anteil in mir, mich von Anfang an beraten und geleitet hat und mich bis hierher, vor tiefen Abgründen bewahrt hat. Der Tod ist bis im Hier und Jetzt, eine Art Freund und ständiger und verlässlicher Begleiter. Selbst wenn nichts mehr geht, ist der Tod dennoch immer für mich da.
Im Verlauf der Sorge um den Zusammenhalt der Familie, habe ich meine Pubertät nie ausgelebt. Nie rebelliert gegen die Anderen und deren Glaubenssystem, das diese mir übergestülpt haben. Das Mikrosystem „Familie“, war zu fragil, um dagegen noch anzugehen und zu rebellieren. Ich habe meine Aggression gegen mich gerichtet und angefangen mich und meine aufkeimenden Gefühle, mit Alkohol und Schmerzen durch Raufereien, zu betäuben. Möglicherweise spiegelt meine fehlende Rebellion und das Verständnis für die Anderen, meine Sehnsucht und Hoffnung nach Liebe und Zuneigung und ist das typische Verhaltensmuster und die Problemlage, von Kindern gestörter Eltern.
Nun, als Teenager mit fünfzehn Jahren, gehe ich mit Kumpels aus und beginne regelmäßig Alkohol zu trinken. Mir wird schnell klar, dass ich mit Alkohol, für den Moment viele belastende Dinge ausblenden kann. Ich kann meine Schmerzen in der Seele betäuben und die Verletzungen für eine Weile vergessen. Wenn ich so besoffen bin und es mir schlecht geht, dass ich mir den Tod wünsche, sind in diesem Moment alle anderen seelischen Verletzungen vergessen. Ich prügele mich, wenn sich eine Möglichkeit bietet. Ich gehe keinem Streit aus dem Weg. Auf der einen Seite kann ich mich dadurch abreagieren und meine Wut ohne Worte herauslassen und auf der anderen Seite, überdecken meine körperlichen Schmerzen meine seelischen.
Gerade in diesen betäubten Tiefphasen, bin ich ab- und entwertend und verletzend, anderen gegenüber. Dass dieses abwertende Verhalten auf meinem eigenen Minderwertigkeitsgefühl beruht, ist mir nur in manchen erhellenden Momenten klar. Dieses Spiel der Schmerzen und der Fremd- und Selbstbestrafung, spiele ich bis ich Mitte Zwanzig bin.
Mir ist hier noch nicht klar, dass ich meine Aggressionen aus meiner Wut heraus, gegen mich und andere richte. Ich bestrafe mich und andere stellvertretend, für die Anderen. Soweit bin ich hier aber noch nicht, um dies zu der Zeit zu erkennen. Ich komme aus dem Teufelskreis nicht heraus.
Ich werde dieses Spiel der Verletzungen zunehmend leid. Es bringt mir nicht die ersehnten Gefühle und Befriedigung. Ich spüre in mir den Wunsch nach Veränderung in Richtung Tiefe, Verbindung, Ruhe und innerem Frieden. Kein Salz mehr in die Wunden, sondern Heilung soweit möglich.
Meine Verletzungen haben mich zu lange geprägt. Ich verspüre immer wieder die zerstörerischen Impulse meiner Verletzungen, alles um mich herum, zu zerstören. Ich erkenne mehr und mehr, dass meine Verletzungen, ständige Bestätigung fordern und eine Eigendynamik entwickelt haben.
Selbst wenn ich mich in Richtung dem entwickeln möchte, was ich mir ersehne, das ich nie hatte und was mir gut tut, gibt es zerstörerische Impulse, die eine Auseinandersetzung mit meiner Sehnsucht, nicht zulassen wollen. Die alten Impulse wollen, dass ich im meinen seelischen Schmerzen verharre und darin wie in der Hölle schmore. Vielleicht aus Angst vor Neuem oder möglicherweise als Bestrafung, dass ich es nicht geschafft habe, Liebe und Zuneigung von den Anderen zu bekommen und ich nicht ins von anderen gewollte Bild passe.
Da ich keine Ausweichmöglichkeit zu meinen Großeltern mehr habe, fühle ich die Wucht des Verhaltens, der Äußerungen, ja des ganzen Gebärdens der Anderen, in bisher ungeahntem Ausmaß. Ich fühle deutlicher als je zuvor, als ich noch kleiner war, die Unsicherheit und Instabilität in mir. Ich empfinde die Anderen als unberechenbar, kann das Gefühl aber nicht richtig einordnen und denke zunehmend, mit mir stimmt etwas nicht.
Ungewollt und mich folternd, grübelt es in mir, ob ich vielleicht daran schuld bin, dass die Anderen sich so gebärden und ich deshalb nicht die Liebe und Anerkennung von ihnen bekomme, die ich mir wünsche. Irgendwie kenne ich das Gefühl, das schon immer in mir schlummert und angelegt ist und sich schleichend in mir fortpflanzt. Es ist ein irritierendes, verunsicherndes und mich sehr schwächendes Gefühl, das diffuse Angst in mir verbreitet und mich versucht in seine lähmende Tiefe zu ziehen.
Ich soll funktionieren, wie die Anderen es von mir wollen und die Rolle spielen, die die Anderen für mich ausgesucht haben. Die Anderen achten mich nicht. Meine Person hat in den Augen der Anderen keinen Wert, nur aufgrund meiner Existenz. Deshalb bin ich veranlasst, mein Leben hindurch, mir durch Leistung, Liebe und Anerkennung und somit Wert zu erarbeiten. Was letzten Endes nicht gelingt. Ich fühle mich bis dato wertlos!
Doch wer ist für mich da? Wer sieht was ich brauche? Wo bekomme ich Liebe und Zuneigung her? Wer sorgt für mich? Niemand. Es ist keiner da, der sich für mich interessiert. Ich bin gezwungen eine Art Selbstsorge für mich aufrechterhalten, um zu überleben. Als Kind gestörter Eltern, war und bin ich eben gezwungen, Rollen zu übernehmen, die einem Kind in dem entsprechenden Alter, nicht entsprechen.
Als Heranwachsender und junger Erwachsener, fühle und sehe ich mich in psychosexueller Hinsicht, in der Reife eines Zwölfjährigen. Ich habe Angst vor einer reifen Frau aus geordnetem Elternhaus. Es befällt mich ein Gefühl der Deplatzierung bei engerer Konfrontation und Annäherung. Angst und Flucht beschleichen mich, bei der plötzlichen Offenbarung meiner eigenen Unzulänglichkeiten, vor dem Hintergrund meiner Herkunft. Ein Klarwerden des eigenen Status als unreifes Kind gegenüber einer reifen Frau. Ich erlebe mich mit meinem gefühlten sozialen Status, in mir emotional wichtigen Situationen, als völlig entfremdet, weil sich hier meine Herkunft, mit den zerstörerischen Exzessen der Anderen, in mir spiegelt.
In meinem Falle, sind die biologischen Anderen bzw. Erzeuger, nicht nur die Anderen ohne Fähigkeiten, was ein Kind, was mich betrifft, sondern mit kindsschädigenden Eigenschaften und Verhaltensweisen ausgestattet. Dass die Anderen ohne kindgerechte, emotionale Fähigkeiten ausgestattet sind, hat primär ja nichts mit mir persönlich zu tun. Aber durch die daraus folgende Fehlprägung meiner Kindheit, liegt es nahe, dass sich trotzdem in mir eine gewisse Wut auf die Anderen, entwickelt hat.
Für mich stellt in der Tat, die Situation des jahrelangen Ausgesetzt Seins, in einem Klima aus Lieblosigkeit, Kaltherzigkeit, Vernachlässigung, Demütigung, Abwertung, Gewalt, Zerstörung, Zerrissenheit und Instabilität, den worst case dar. Ich habe nie Urvertrauen entwickeln können und in einem Schein von „Familie“ mit den Anderen gelebt, bis mir dieser Schein auch noch genommen wird. Im Grunde lebe ich in einer emotionalen, familiären Täuschung, die aus meiner eigenen Sehnsucht und der Unfähigkeit der Anderen genährt wird.
Den Höhepunkt und die Krönung meiner Kindheit und Jugend, erlebe durch das familiäre Desaster am Silvesterabend 1985. Es ist der letzte Akt, der gnadenlos die Abgründe offenbart.
Es ist eine Enttäuschung, d.h. die Loslösung aus der Täuschung, aus meiner Illusion der heilen Familie und der Welt der Anderen. Es ist die letzte Verletzung im letzten Akt der Anderen, ausgelöst durch eine zum x-ten Mal wiederholten, kompromittierenden sexuellen Eskapade der Anderen. Eine Schlusseskapade, nach Weihnachten, in unserem Haus, in Anwesenheit aller Hausbewohner, inklusive mir. Die Konsequenz der letzten Handlung im letzten Akt, ist, dass sich die Andere im Verlauf des Silvesterabends im Zimmer einschließt und mit Tabletten umbringen will. Der Andere trinkt aus Hilflosigkeit und Unfähigkeit eine Flasche Schnaps. Mir wird wieder die Erwachsenenrolle überlassen, indem ich dafür Sorge getragen habe, dass die Andere ins Krankenhaus kommt und der Andere nicht an seinem Erbrochenen erstickt. Das war meine private Silvesterparty 1985 auf 1986, die ich nie vergessen werde, wie so vieles nicht.
Letzten Endes war dieser letzte Akt, Befreiung und Auftakt in mein neues Leben. Zugleich hat dieser letzte Akt, die Anderen demaskiert und deren Verstörtheit offenbart. Befreiung aus meiner bisherigen Lebenstäuschung und aus Lebensvereinbarungen meines Lebens, die mir auferlegt wurden, die ich nie gewählt habe und nicht die meinen sind und waren. Befreiung aus einer Scheinmoral, hinter der eine Schweinestallmoral das Leben und Zusammenleben der Anderen und mit den Anderen, bestimmt hat.
Bis Mitte Zwanzig, bin ich besonders extrem mit meinen emotionalen Reaktionen und sehr polarisierend. Ich bin sehr nah am Tod, zu dieser Zeit. Ich habe beinahe einen anderen Menschen getötet, weil die Versuchung so groß war, an ihm, stellvertretend für alle erlittene Scham, ein Exempel zu statuieren. Ich bin aggressiv gegen andere und gegen mich. Dass aber die Ziele meiner Aggression, Stellvertreter der Anderen sind, verdränge ich. Die Sehnsucht in mir, dass alles doch nicht so sein kann und gut wird, ist sehr groß. So spalte ich möglicherweise die üblen erfahrenen Tatsachen ab, um an der Sehnsucht nach reiner Liebe von den Anderen festhalben zu können.
Nur die Sehnsucht nach der reinen Liebe, lässt den Gegenpol, den Hass gegen die Anderen, die psychoanalytisch beschriebene, möglicherweise physiologische Ambivalenz der Hassliebe, nicht zu. Stellvertretend richte ich meinen Hass, wie beschrieben auf mich und andere. Das natürliche Wechselspiel von Liebe und Hass in der Beziehung zu den Anderen, für eine Entwicklung der reifen Persönlichkeit und des eigenständigen SELBST, für einen gelungenen Ablöseprozess, ist gestört. Der Prozess der Reifung meiner Persönlichkeit verschiebt sich bei mir in eine unbestimmte Zukunft und die Auflösung des Konfliktes in mir, steht weiter im Raum und bleibt vorerst oder möglicherweise für alle Zeiten, unbeantwortet.
Irgendetwas in mir, hält in dieser äußerst fragilen Zeit, die schützende Hand über mich. Etwas höheres, göttliches, universales, das mir Entwicklung ermöglicht. Meine, mir möglicherweise von höherer Stelle an die Seite gestellten Großeltern, haben eine weise Fähigkeit in mir mitbegründet, die mich bis heute getragen und bewahrt hat. Ein weiser Teil in mir, der mich schon immer wohlwollend begleitet und mich in meiner Entwicklung befördert hat.
Ich habe die Nase voll, von Gewalt, Beziehungslosigkeit, Oberfläche und Alkohol. Ich spüre eine große Leere in mir und gleichzeitig die Sehnsucht nach Entwicklung, diese Leere auszufüllen. Ich habe das Gefühl, egal wo, fehl am Platz zu sein. Nur wie das konkret aussehen soll, meiner inneren Leere zu begegnen, davon habe ich keine Ahnung. Ich sehne mich nach Nähe und Tiefe und gleichzeitig fällt es mir unendlich schwer, diese Gefühle zunächst zuzulassen. Jedoch spüre ich einen Hauch von Ahnung, dass der Weg des Gefühls und der Tiefe, der richtige und einzige für mich ist.
Ich lasse mich treiben und gehe auf die Suche, mich und mein SELBST zu erforschen. Ich spüre immer deutlicher, dass Tiefe der Schlüssel für mein Leben ist. Ich studiere dies und das, arbeite hier und da und probiere viele Bereiche aus, um meine Persönlichkeit so weit wie möglich zu entwickeln (H. Hesse).
Ich fühle mich jedoch nirgends angekommen und zu Hause. Ich flüchte aus der Enge des Alltags, der Gewöhnung. Ich kann nie über die Eingewöhnungs- und Kennenlernphase hinaus bleiben. In mir ist eine treibende Kraft, die mich weiter schickt, immer weiter auf die Suche. Aber nach was und wem? Vielleicht sind das alles nur Mittel zum Zweck. Dem Zweck, der Suche und der Verwirklichung, des eigenen SELBST.
Vielleicht ist es zunächst noch eine Flucht vor mir selbst, um mich mir selbst nicht stellen zu müssen. Möglicherweise bin ich noch nicht reif und stark genug, um mich mir selbst stellen zu können. Ich muss zuerst noch suchen, finden, erreichen, auf Widerstände treffen und versagen, bis ich klar sehen kann.
Aber eins nach dem anderen und Schritt für Schritt, mit der Methode des Umweges. Umwege kommen daher, weil uns im Leben Widerwärtiges passiert und die Methode des Umweges, ist der Weg der Versöhnung mit unserem Leben und uns SELBST (A. Lindseth).
Ein Verfallen an die Alltäglichkeit, an das Man (Heidegger), erlebe ich nicht. Mit meiner gefühlten Andersartigkeit, gehe ich den Weg des Einzelgängers und folge keinen vorgefertigten Programmen und Parolen (H. Hesse).
Tief in mir höre ich den Ruf einer Stimme, eines Gefühls, meines Lebens, dem ich folgen muss. Es ist wie ein Sog der mich in seinen Bann zieht. Ich kann nicht sehen wohin der Weg mich führt. Ich muss und will mich auf die tiefe, verborgene und richtungsweisende Kraft in mir verlassen, die dumpf in mir spürbar ist. Es ist mein gefühlter, spezieller Weg, nicht der Weg der geltenden Konventionen. Ich erahne die Last, die mir mein Weg auferlegt. Mein Leben ruft mich, meinen wahren Lebensweg, meinen gefühlt richtigen, individuellen Weg, zu gehen (Lindseth). Der wahre Lebensweg, ist für jeden Einzelnen, der jeweils gefühlt richtige Weg, als Bestimmung und göttliche Vorsehung (Lindseth).
Ich bin Sucher und werde nach und nach zum Finder. Ich bin in einer Art Transformation, von einem Ding zu einem anderen Ding, mit meiner letztendlichen, natürlichen und göttlichen Bestimmung.
Ich spüre einen Drang zur Transformation in mir. Doch ist dieses Gefühl für mich sehr angstbesetzt, da ich mich anders fühle und diese Andersheit im Vergleich zu meiner Umwelt, mich selbst als gestört und nicht „normal“, erscheinen und empfinden lässt.
Ich kann nicht auf eine mir mitgegebene, äußere, strukturierte Orientierung zurückgreifen. Ich muss mich auf meine eigene Intuition verlassen. Das tue ich, auch gegen all die äußeren Verunsicherungen, die meine tief in mir angelegten Verunsicherungen, wieder und wieder triggern.
Ich kämpfe Tag für Tag einen Kampf für Stabilität und Sicherheit in mir. Es ist für mich harte Arbeit, bis zum Abend in eine stabile Instabilität zu kommen, die am nächsten Morgen wieder zerstört vor meinen Füßen liegt und wieder aufs Neue errichtet werden will.
Über mein SELBST zu lernen und wie ich damit umgehen kann, bringt eine neue Verlässlichkeit in mein neues Leben. In dem ich mich von allem alten Ballast trenne und loslasse, Schritt für Schritt und behutsam, rücke ich näher zu mir. Ich sehe klarer, was ich brauche und wer ich bin und sein will. Ich lerne mühsam und zögerlich Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen, da ich sehr misstrauisch bin und mir einrede, alleine klar zu kommen. Ich denke längere Zeit, dass es Schwäche ist, Hilfe zu benötigen. Ich brauche viel Geduld und Zeit. Zeit ist sowieso der wichtigste Faktor für mich, wie mir zunehmend deutlich wird. Ich bezahle viel Lehrgeld, für meine Reifung und Weiterentwicklung.
Ich habe keinen der mir zur Orientierung dient und keinen Hafen, der mir Schutz bietet, vor den Unwettern des Lebens. Ich habe nicht nur Nichts, sondern auch noch Minus auf meinem emotionalen Konto.
Völlig klar ist, dass mein Leben im gegensätzlichen Pol zu den Anderen, zu suchen ist. Ich bin ganz auf mich alleine gestellt und kann auf keine Hilfestellung zurückgreifen. Mein Lebenscredo basiert einzig auf Versuch und Irrtum und die Sehnsucht nach Liebe ist der Motor, der mich antreibt.
Meine Sehnsucht treibt mich voran und ermöglicht mir, meine liebe Frau kennenzulernen. Sie ist die Antwort auf mein Suchen und meine Fragen. Sie gibt mir die Möglichkeit, mit ihr eine Familie zu gründen und zu leben, wie ich sie nie hatte und mir immer ersehnt habe. Es grenzt schon an ein kleines Wunder, meine Geschichte zu drehen, mich zu transformieren und mit meinem wahren Lebensweg, adäquat auf den Ruf meiner Anfangsgeschichte, zu antworten. Mein wahrer Lebensweg, ist mein gefühlt richtiger Lebensweg (Lindseth), als Antwort auf meine Anfangsgeschichte, der mich zu innerem Frieden, Freiheit und Versöhnung führt. Nur mein wahrer Lebensweg, kann für mich ein heilsamer Weg sein und werden. Hierbei bildet meine eigene Familie, den Kern, um den sich alles dreht. Das nächste, das sich um den Kern dreht, ist und wird die Aufarbeitung meiner Geschichte, die Transformation und die Weitergabe der Geschichte an andere SELBST und an das große Ganze. Dies spüre ich schon als eine Ahnung in mir.
Ich hätte aber auch leicht abdriften können in eine dunkle Welt voller Gewalt, Kriminalität und Drogen. Eine weise, göttliche Kraft, hat mich wohl begleitet auf meinem heilsamen Weg und daran gehindert.
Meine Frau ist ein Abbild, in Ausstrahlung und Wesen, meiner lieben Oma. Meine Frau und die Kinder, geben mir Liebe und Zuflucht, ähnlich wie dies meine lieben Großeltern taten.
Ich habe eine Familie, wie ich mir sie immer gewünscht habe, mit Liebe, Zuneigung und wohlwollendem Umgang miteinander. Eine Familie, wie ich sie als Kind gebraucht hätte. Nun habe ich sie endlich. Ich bekomme Liebe und Zuneigung, habe Anteil an meinen Kindern und die Möglichkeit, nachzureifen und mit meinen Kindern zu wachsen. Nun habe ich das wesentliche gefunden, das ich gesucht habe. Nun bin ich ein Finder.
Ich muss nicht mehr flüchten. Wenn ich nicht mehr flüchten kann und will, muss ich mich mir selbst stellen und in meine tiefen, schmerzlichen Abgründe meines SELBST blicken. Möglicherweise bin ich erst jetzt bereit, den Blick in meine Abgründe zu tun und das jetzt auch aushalten zu können. Als ich jünger war, war ich alleine auf mich gestellt und eine Flucht war bis dahin immer das Naheliegende.
Ich habe lange meine innere Zerrissenheit über körperliche Stärke zu kompensieren gesucht. Jetzt habe ich Familie, wie ich sie nie hatte, da ist eine Flucht nicht mehr naheliegender, obwohl ich den Fluchtimpuls in mir spüre und gut kenne. Vielmehr bin ich gezwungen, mich mir zu stellen und mit mir auseinanderzusetzten, weil ich das Errungene nicht mehr verlieren will.
Möglicherweise ist auch die körperliche Sturm- und Drangzeit, die mir viele Ausweichmöglichkeiten eröffnete, mit Zunahme der inneren Reife und dem Alter gewichen. Mit schwindender Körperkraft, schwinden auch Optionen des Handelns. Spürbar eröffnen sich aber dadurch neue geistige Optionen. Nicht mehr zu flüchten und mich zu konfrontieren, macht die tiefen Abgründe meines SELBST erst richtig sichtbar. Das genaue Hinschauen, bringt aber tiefes Entsetzen und Schmerz mit sich. Plötzlich gibt es keine Worte, die die auftauchenden Emotionen überhaupt annähernd benennen können. Auch die schockierende Erkenntnis, dass dieses Erschütternde schon in mir war, wirkt verstörend, ja zerstörend und niederschmetternd. Der Kampf, mich meiner Herkunft, meiner Anfangsgeschichte (Lindseth) zu stellen, ist jetzt viel lohnender, ja sogar existentiell. Es gilt nun, aus meiner Geschichte zu lernen, adäquat darauf zu antworten (Lindseth) und dies für meine eigenen Kinder wertvoll umzusetzen.
Durch die Geburt unserer Tochter und durch meine liebe Frau inspiriert, nehme ich nach über zehn Jahren Kontaktabbruch, Kontakt zu der Anderen auf. Die Kontaktaufnahme erfolgt in der Sehnsucht und Hoffnung, auch eine „Mutter“ zu haben. Ich hoffe, dass nun alles gut wird und jeder aus der Erfahrung gelernt hat. Die Chance, neu aufeinander zuzugehen und zum Guten zu wenden, muss doch nun jeder der Anderen auch sehnsüchtig ergreifen, so meine Hoffnung. Vielleicht ist ja ein Neuanfang möglich. Plötzlich wird mir klar, dass ich die Menschen, die Anderen, meine Erzeuger, überhaupt nicht kenne. Ich muss es für mich wagen, für meine Weiterentwicklung, den Mut aufbringen und einen Neuanfang suchen. Die Anderen, meine ersehnten „Eltern“, an meiner eigenen Familie teilhaben lassen und auch für mich ein neues Leben gewinnen, in dem meine tiefsten Sehnsüchte erfüllt werden.
Ich bin einige Zeit sehr euphorisch, dass ich neu auf die Anderen, meine „Eltern“ zugehen kann und diese an meinem, unserem Leben teilhaben lassen kann. Ich lebe privat wie beruflich, von meinem Gefühl, dass nun alles gut wird. Ich ziehe meine Lebensenergie aus der Tatsache, die letztendlich eine Illusion ist und zu diesem Zeitpunkt für mich noch nicht wahrhabbar, dass ich nun auch „Eltern“ habe. Endlich habe ich auch Eltern, wie andere auch. Nun ist das fehlende Puzzleteil aufgetaucht und das Gesamtbild komplett. Meine Sehnsucht nach Einheit und nach einem Guss, hat sich erfüllt.
Das gemeinsame Bild der vereinigten Familie, ich mit den Anderen, meinen „Eltern“, wird von meiner Euphorie getragen. Eine Euphorie, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt und viele Indizien, die gegen einen heilen Neuanfang mit den Anderen, meinen „Eltern“ sprechen, übersieht. Es ist eine Euphorie der Sehnsucht und des Wunschdenkens, die sich die ersten Jahre des Neukontaktes mit den Anderen, meinen „Eltern“ behauptet, jedoch Stück für Stück bröckelt.
Durch das Weichen meiner Euphorie, schwindet der Schein und die Beziehung zu den Anderen, meinen „Eltern“, demaskiert sich als das uralte, bekannte Verhaltensmuster ohne Weiterentwicklung.
Genau das ist der Knackpunkt. Ein bewusster Neuanfang, mit einem liebevollen und wohlwollenden Umgang, ausgehend von den Anderen, meinen „Eltern“, hätte für mich heilvolle Bedeutung gehabt. Neu auf mich zukommend, aufgrund der extremen Schieflage meiner Kindheit.
Das sind meine Erwartungen und Sehnsüchte, nach dem sich der Nebel der Euphorie, gelichtet hat. Doch ist hier eine Beziehung zu ihnen nur möglich, durch das Ertragen und Tragen „ihrer“ uralten Verhaltensmuster und Eigenschaften. Es ist keine gemeinsame Reflektion der Geschichte möglich und auch kein bewusster, liebevoller Umgang und Neuanfang, der eine freundlich-versöhnliche Beziehung zueinander ermöglichen könnte.
Stattdessen finden immer wieder Reaktualisierungen der früheren, tiefen Verletzungen statt. Meine Stimmung und mein Zukunftsausblick, trüben sich mehr und mehr. Das Erhoffte und Ersehnte und scheinbar Greifbare im meinem Leben, für mein SELBST, entfernt sich und entpuppt sich letztendlich als eine Illusion, getragen von meiner Hoffnung und meinen tiefen Sehnsüchten.
Je klarer ich die Illusion erkenne, der ich verfallen bin, desto schlechter geht es mir. Es fällt mir unbeschreiblich schwer, zuzulassen, dass nichts ist, wie ich es mir erdacht, erträumt, erfühlt habe. Ich kenne die Menschen, die Anderen, die meine „Eltern“ sein sollen, überhaupt nicht. Ich spüre und sehe keine Verbindung zu den Anderen, auf keiner Ebene.
Der nur scheinbar verschlossene Abgrund in meinem SELBST, wird nun plötzlich auf schmerzhafte Weise wieder sichtbar und tut sich erneut auf schreckliche Weise auf. Ich greife nach jedem Strohhalm der Sehnsucht, doch noch das zu haben, was mir immer verwehrt war.
Als die Andere an einem Tumor erkrankt, erinnert diese sich überraschenderweise als erstes, an mich. Sie brauche nun meine Hilfe, weil sie nicht wisse, wie sie alleine mit der lebensverändernden Tatsache umgehen solle.
Damit erhält meine Illusion wieder Nahrung. Sofort springe ich an, getrieben von meiner Sehnsucht, dass jetzt im Angesicht des Todes, die Umkehr zum Guten doch noch erfolgt. Ich begleite, umsorge, habe Verständnis wie immer und warte. Warten auf die noch nie vernommenen Zauberworte der Anderen, meiner „Mutter“, da der Tod abgewendet ist, dass „sie“ mich lieb hat und froh ist nicht alleine zu sein.
Mein Warten auf diese süßen, alles in mir bewegenden Worte, ist vergebens. Das einzige, das „sie“ als Ausdruck „ihrer“ Zuneigung zu mir herausbringt und mir abermals bestätigt, ist, sie habe mich früher nie in meiner Scheiße liegen lassen und außerdem hätte ich viel zu wenig Schläge bekommen.
Aus „ihrem“ Munde strömt weiterhin Kaltherzigkeit und schlimme, schmerzvolle Abwertung, Demütigung und Beleidigung, die ich zur Genüge kenne.
Hier ist ein Punkt für mich erreicht, der das Fass meines SELBST zum Überlaufen bringt. Schlagartig ist auch der Hauch jeglicher Illusion verschwunden. Ich beziehe nun klare Position und eröffne der Anderen noch im Genesungslager, meine Wünsche und Sehnsüchte, die in mir bis zuletzt auf Erfüllung gewartet haben. Ich kann plötzlich klar sehen und fühlen, wo meine emotionalen Wurzeln sind. Ich eröffne der Anderen, dass ich mich bis zuletzt um „ihre“ Gunst bemüht, ja gekämpft habe und mir hier am Genesungsbett schlagartig klar wird, dass keine Verbindung besteht und dass meine liebe Großmutter, meine emotionale, wirkliche Mutter war und ist.
Je mehr die Nebelschwaden der Illusion abziehen, desto mehr empört mich das uralte Denk- und Verhaltensmuster der Anderen, immer in mir Schuld zu wecken, so dass ich mich stellvertretend für deren Unfähigkeit, schlecht fühle.
Die Anderen geben diesen üblen Rahmen vor, für mich, das Kind, und sind noch enttäuscht, dass ich nicht Beifall klatsche, für das übergebene exzessive, schamhafte, zerstörerische, emotionale Erbe. Diese pervertierte Erwartung der Anderen, demaskiert und spiegelt deren Leben als reinen Schein und stellt deren Störung und deren eigene armselige Welt offen zur Schau. Die Anderen outen sich als ahnungslose Geschöpfe, was Liebe und Familie angeht und zeigen offen ihre primitiven, gestörten Impulse, als Triebfeder ihrer Existenz.
Ich ziehe die Konsequenz aus dem Gesagten und teile mit, dass ich für formale Belange, gegebenenfalls, zur Verfügung stehe, aber höchstens nur, wenn ich auf besondere Art und Weise, darum gebeten werde.
Ansonsten distanziere ich mich in jeglicher Hinsicht von der Anderen, sowie von meiner Herkunftsfamilie und beende jeglichen Kontakt. Jetzt kann ich meine Wut und Aggression an der richtigen Adresse abladen. Ich spüre die Zerrissenheit und Zerstörung nun in voller Wucht in mir und lasse dies jetzt endlich auch zu. Die Zerstörung, die ein Leben lang in mir gewütet hat, lasse ich nun bewusst aus mir heraus und gebe sie an den richtigen Adressaten zurück. Die Zerstörung brennt in mir mit der Macht eines Vulkans, der sich gerade entlädt und drängt nun erst völlig in mein Bewusstsein.
Erst jetzt, da ich einen Teil meiner Gefühle ausgesprochen habe, drängen alle verborgenen Gefühle und Gedanken in mir hoch, überwältigen mich und verlangen nach ihrem Recht. Nun wird mir plötzlich klar, dass ich bis hierher in einer Illusion aus Sehnsüchten gefangen war und bin, die gerade wie eine Seifenblase zerplatzt ist. All meine Sehnsüchte nach Liebe und Zuneigung sind nicht erfüllt und werden von diesen Menschen, den Anderen, die auch immer die Anderen geblieben sind, auch nicht mehr erfüllt werden.
Tief in mir wohnt schon ein klein wenig der Ansatz von Erkenntnis, dass die Anderen im Hier und Jetzt, nicht die Fähigkeiten besitzen, um meine Sehnsüchte zu erfüllen. Es schmerzt unendlich, dass mein ganzes Streben nach Liebe, dieser brutalen Einsicht weichen muss. Die Hoffnung, auch so eine Art „Eltern“ zu haben, die mir vielleicht doch noch irgendwann Liebe geben, hat mich bis hierher getragen und mir Kraft gegeben. Die Hoffnung bis zuletzt, dass alles gut werden würde, ist und war so mächtig, dass sie mich jegliches negative Gefühl und Denken, hat ausblenden lassen. Ich kann nur bestätigen, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.
Doch mit dem endgültigen Aus jeglicher Hoffnung, sinke ich in mir zusammen und reiße unser SELBST mit. Es ist, als ob mein ganzes bisheriges Leben, wie durch ein Auslassventil aus mir entweicht. Alles was ich mir erhofft und worauf ich gebaut habe, erscheint von einem zum anderen Augenblick, wie pervertiert. Ich empfinde nur noch Ekel und Abscheu gegenüber den Anderen.
Nichts ist mehr wie es war. Alles erscheint in einem anderen Licht. Meine Weltsicht ist in sich zusammengebrochen. Mein Leben liegt wie ein in alle Teile zerfallenes Puzzle vor meinen Füßen. Tag für Tag versuche ich mein Lebenspuzzle aufs Neue zusammenzusetzen, das mir aber am nächsten Tag wieder und wieder vor den Füßen liegt. Ich kann im Alltag nicht mehr wie bisher funktionieren und fühle mich zerrissen und zerstört. Ich bin der Hauptakteur im SELBST und das SELBST spiegelt mich.
Ein Gefühl, das mir irgendwie vertraut ist und schon immer in mir wohnt. Nur habe ich die zerstörerischen, schlimmen Gefühle aus meiner Geschichte, immer verdrängt und meine Geschichte stets mildernd für mich dargestellt, um noch Kraft zum Leben zu haben.
Ich habe eher die Anderen noch verteidigt und deren Verhalten vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebensgeschichte, noch versucht zu erklären und zu verstehen. Ich habe immer wieder Verständnis aufgebracht und selbst kein Verständnis erfahren.
Doch jetzt bin ich endgültig am Boden, im Nichts angelangt und es gibt nichts mehr zu beschönigen oder vorzumachen. Im Nichts angelangt, bedeutet für mich zwei Möglichkeiten. Entweder Tod oder Neubeginn. Ein Neubeginn ist in der Gesamtsicht wertvoller und der Tod bleibt mir als Option immer, wenn sonst nichts mehr geht. Ich kann mich in der Folge von Generation zu Generation weitergegebener Traumatisierung wiederfinden und begreife meine Aufgabe allmählich, diese Folge zu unterbrechen. Es hat für mich eine Art „göttliche“ Bestimmung und gehört zu meinem wahren Lebensweg (Lindseth).
Alleine komme ich aus diesem Schlamassel nicht mehr heraus. Ich brauche dringend massive und professionelle Hilfe. Die Frage ist, ob ich Hilfe annehmen und mich offen, verletzlich und am Ende meines Lateins, zeigen kann oder ob ich flüchte und die letzte Ausfahrt nehme.
Ich will doch immer noch der gesellschaftlich Integre und Unangreifbare sein. So steckt es übermächtig, als historisch-kulturell überliefertes Vermächtnis, in mir. Der Widerstand meines SELBST ist sehr groß. Bin ich doch geprägt, alles alleine zu regeln. Doch ab hier wird es, vorsichtig ausgedrückt, zu komplex und mein Einzelkämpfertum reicht nicht mehr aus. Anders gesagt, alleine geht gar nichts mehr.
Ich lasse Hilfe von außen zu. Nur sehr mühsam und gegen den riesigen Widerstand in mir, gelingt ein Einstieg in eine neue Sichtweise der Welt für mich. Doch spüre ich gleichzeitig, dass nur dieser Weg, der richtige und einzig möglich „heilsame“, für mich ist. Ich erfahre Anerkennung und Wertschätzung für meine Lebensgeschichte und werde angenommen, so wie ich bin. Das ist für mich eine trostspendende und völlig neue Erfahrung, dass mir wohlwollend begegnet wird und ich Anerkennung und Zuneigung erfahre. So kann nun ein Prozess beginnen, der mich behutsam und achtsam auf mich und meine Bedürfnisse schauen lässt. Was ist mein Lebensthema und was brauche ich Sinngebendes für mein Leben? Mein Leben ruft mich und ich will nun entsprechend, mit dem für mich gefühlt richtigen weiteren Weg, meinem wahren Lebensweg (Lindseth), antworten.
Mein Leben war bisher ein langer Kampf, so dass es zu schade wäre, wenn ich mich jetzt, wo es beginnt aufzuklaren, entziehen würde. Durch die Auseinandersetzung mit meiner Lebensgeschichte fühle ich Stück für Stück mehr Authentizität mit mir selbst. Das ist ein neues, ungewohntes Gefühl, zunehmend nah bei mir zu sein.
Ich habe zuvor immer mehr das Gefühl gehabt, mich weiter und weiter von mir weg zu bewegen. Die Nähe zu mir und das authentische Gefühl bei mir zu sein, ist das eine. Die Angst vor der äußeren Veränderung, die der inneren automatisch folgen wird, ist das andere.
Die „was sagen die Leute“ – Haltung, ist tief in mir verankert. Ich bin in ein Image gedriftet, das eine Eigendynamik entwickelt hat und auf mich wiederum einen Zwang und Druck ausübt.
Durch die weitere Annäherung an mich selbst, spüre ich die deutliche Entfremdung zu meinem bisherigen Leben, das sich für mich völlig ins Gegenteil verkehrt hat. Ich kann nicht mehr die Rollen spielen, die ich gespielt habe.
Es sind, was sich im Nachhinein herausstellt, Rollen auf Zeit gewesen, die dazu gedient haben, den wahren Kern meines SELBST freizulegen, um sich dann selbst überflüssig und entbehrlich zu machen.
Doch nun, da ich zulassen kann, den bisherigen Schein einzureißen, sind alle diese Rollen obsolet und erscheinen im neuen Zusammenhang, meiner Entwicklung und des sich neu entwickelnden SELBST, als völlig entfremdend.
Ich kann die Zerstörung in mir zulassen. Es darf so sein und es ist so, wie es ist. Es ist befreiend, nicht mehr an der Illusion festhalten zu brauchen, dass meine Sehnsüchte erfüllt werden. Es hat auch etwas Bereinigendes, dass die Illusion, die Täuschung in mir zerstört ist. Ich bin nun „enttäuscht“ und kann meinen Blick auf die elementaren Dinge in mir und um mich herum richten. Ich kann mich jetzt für mich passend neu erfinden und auf eine andere Art, neu geboren werden. Hier drängt sich mir nun ein Lebensgefühl auf, das, so scheint es, schon immer in mir angelegt war. Ein liebevolles, einfaches und naturnahes familiäres Leben.
Langsam sehe ich, dass der bewusste und behutsame Umgang mit der Zerstörung in mir, meine Befreiung bedeuten kann. Wo alles zerstört ist, gibt es nichts mehr und es kann Neues entstehen. Vielleicht ist Zerstörung die Bedingung für etwas Neues und Anderes. Ein Kreislauf aus Werden und Entwerden, aus Kommen und Gehen.
Möglicherweise kann sich jetzt erst das in mir entwickeln, was wirklich tief in mir angelegt ist, weil ich nun befreit bin. Wenn ich authentisch bin, spielt es keine Rolle mehr, was andere von mir denken. Ich muss mir und anderen nichts mehr vormachen. Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich die Fremdheit der anderen aushalten und somit selbstbestimmt leben (La Bruyère).
Vor den letzten Weihnachten ist die Andere gestorben. Schneller und überraschender für mich, als ich gehofft habe. Nie wieder negative Impulse von der Anderen im Hier und Jetzt. „Sie“ ist einfach weg und es fühlt sich gut und stimmig an.
Es ist im Hier und Jetzt eben nicht mehr möglich gewesen. „Sie“ ist nun Sternenstaub und zurück in einen ewigen, göttlichen Urzustand, einer Art Urmutter. Das ist gefühlt, für mich, das beste Weihnachtsgeschenk, das ich je von „ihr“ bekommen habe. In Erwartung von Weihnachten und Silvester, erlebe ich immer wieder einen flash back. Diese Tage haben für mich eine besondere Symbolik. Mehr und mehr dienen sie mir als eine Art Leuchtturm, der mir zeigt, woher ich komme, wer ich bin und wo ich hin möchte.
Die Auflösung der Anderen in das große Ganze, ist letztendlich also eine Befreiung für mich. Im göttlichen Universum gibt es keine Wertung. Nun kann sich aus dem Urzustand vielleicht eine neue Existenzform, ein neues Sein, entwickeln, das reifere Fähigkeiten hervorbringt.
Durch die Hilfe und Begleitung einer weisen Instanz in mir, kann ich für mich das große Ganze, den ewigen und göttlichen Zusammenhang, auf diese Art und Weise begreifen.
Meine schlimmen Ängste, die Andere würde noch Jahre „ihr“ zerstörerisches Gift an meine Adresse versprühen, sind für mich auf einen Schlag wie weggeflogen. Praktisch haben sich meine Ängste, zusammen mit ihr in Rauch aufgelöst.
Auch mit weiterem zeitlichem Abstand, kann ich mich aus tiefster Überzeugung nur „freuen“, dass dieser Spuk ein Ende hat. Mir ist völlig klar, dass ich nur meinen Frieden finden kann, wenn Ruhe einkehrt. Und Ruhe kann hier, in diesem Fall, nur mit dem Tod einkehren. Der Tod ist für mich schon immer ein treuer Begleiter.
Aus der befreienden, erlösenden Erfahrung durch den Tod der Anderen, entstehen in mir der süße Wunsch und der Lockruf der Sehnsucht, auch nach dem Tod des Anderen. Damit auch aus dieser Richtung nie wieder Impulse kommen können. Die Aussicht, von diesen Anderen auch befreit zu sein, lässt in mir ein Gefühl von Stimmigkeit, innerem Gleichgewicht und Freiheit aufkommen. Fast schon eine Art „Euphorie“, mit dem Ausblick der gefühlten Freiheit.
Der Wunsch nach dem Tod des Anderen, ist verbunden mit dem Verlangen, den Tod eigenhändig herbeizuführen. Der kriegerische Anteil unseres SELBST, kennt meine innere Not und hält bedingungslos zu mir. Wir sind nah bei einander. Liebend gern steht der Krieger mir zur Seite und wartet nur darauf, dass ich grünes Licht gebe. Er ist mein bedingungsloser, verlässlicher Freund, der immer für mich da ist. Dieses Verlangen entspringt nun aus der Wut, den Enttäuschung, den Demütigungen, den Vernachlässigungen, den Verletzungen und den Kränkungen, die allesamt wie ein Reflex aus meinem tiefsten Inneren auftauchen, da ich nun die Gewissheit habe, dass mit diesen Anderen nichts gut wird.
Der weise Anteil steht mir und unserem SELBST, wie schon immer, wohlwollend und mich beratend zur Seite, so dass ich mich von dem Gedanken den Anderen zu töten, zum Wohle aller, lösen kann.
Ich habe nun eine eigene Familie mit eigenen Kindern, bei denen ich auch noch Kind sein darf. Ich bin nun Teil einer wertvollen Familie, wie ich sie mir immer gewünscht habe. Wenn ich in diesem Denken und Fühlen bin, erscheint der Rückblick auf meine Anfangsgeschichte surreal und irgendwie lächerlich.
Meine eigene Familie hat die Anderen in zunehmendem Verlauf, in deren Verstörtheit mitbekommen und als unberechenbar und unverlässlich erlebt und eine tiefe Armseligkeit, mit mir mitfühlend, nachempfunden. Meine Kinder empfinden zusätzlich noch Angst und Ekel, vor den Anderen.
All das, sind ja genau die Empfindungen, wie ich sie seit frühester Zeit in mir trage. Meine eigene Familie steht mir nun als Zeuge zur Seite und bekommt selbst in ihrer Wahrnehmung, die üblen Empfindungen und Gefühle mit, wie diese lange Zeit auf mich gewirkt haben. Das tut so gut, nicht mehr alleine zu sein, mit meiner Wahrnehmung der Anderen. Ich muss nicht mehr dagegen ankämpfen, ob das nur meine Wahrheit ist, dass ich die üblen Erfahrungen mit diesen Anderen habe. Ich kann meine Wahrheit, mit der Wahrheit meiner eigenen Familie abgleichen und bin damit vom ewigen Kampf, meine Wahrheit rechtfertigen zu müssen, erlöst.
Ich habe Wertschätzung, Bestätigung und Anerkennung für meine Geschichte gefunden.
Das Umsetzen meines Verlangens nach dem Tod des Anderen, in die Tat, ist die Sprache der Sprachlosigkeit, wenn es keine Worte mehr gibt, um Erlebtes auszudrücken. Ich möchte, dass alles aufhört. Nie wieder Impulse, die mich an meine Kindheit, Jugend und das Erlebte mit diesen Anderen erinnern und dies aufleben lassen. Kein Salz mehr in die Wunden. Keine neuen Wunden. Einfach nur Ruhe und Frieden.
Diesem Verlangen nicht nachzugeben ist für mich emotionale Höchstleistung. Es gelingt mir nur, wenn ich auf Distanz zu meinen Verletzungen und zu meiner Wut gehen kann, mich von allem Alten konsequent trenne und das große Ganze mit meiner neuen Rolle in unserem neuen SELBST, in den Fokus meiner Aufmerksamkeit rücke. Dazu brauche ich einen, für mich passenden Rahmen, damit ich diese Transformation, den Reifesprung, schaffe.
Dies kann mir gelingen, wenn ich es schaffe eine Lehre aus meiner Eltern-Kind-Fehlentwicklung zu ziehen, die besagt, meine eigene liebevolle und wohlwollende Familie, mit meinen Kindern und meiner Frau, zu leben und mir dafür den nötigen Rahmen zu schaffen.
Die Moral und der tiefere Sinn der Lebensgeschichte des SELBST ist, dem Kind, also mir, eine liebevolle, wohlwollende, wachstumsfördernde und sichere Basis zu geben, damit ich mich zu einem stabilen, reifen und Widrigkeiten gewachsenen Geschöpf, im Hier und Jetzt und im Universum, entwickeln kann.
In Hinsicht der Reifung und der Erschaffung unseres neuen SELBST (das Selbst als Kunstwerk schaffen; Foucault und Dichter unseres eigenen Lebens sein; Nietzsche), erhält die ständige wiederkehrende Konfrontation mit meinen traumatisierten Erinnerungen einen tieferen Sinn. Meine Lebensenergie kann produktiv in die Reifung, Nachreifung und Weiterentwicklung von mir und unserem neuen SELBST und der der folgenden Generationen und des großen Ganzen, gelenkt werden.
Ich bin ein großer und gewichtiger Teil des SELBST und übe mit meinen Verletzungen viel Einfluss aus. Aber das SELBST besteht noch aus weiteren Teilen, die auch ihr Recht haben, gehört zu werden, wie ich auch. Wenn ich mich nun etwas heraus nehme aus meinen emotionalen Verletzungen, auf Distanz zu mir gehe und die anderen Teile des SELBST auch zu Wort kommen lasse, so habe ich gelernt, ist das nur ein Gewinn für das neue SELBST und sichert die weitere Existenz des SELBST, zu dem ich ja auch gehöre.
Wir, die Teile des SELBST, sitzen gemeinsam in einem Boot. Wenn das neue SELBST in einem Gleichgewicht existieren will oder überhaupt existieren kann, dann nur durch unseren gemeinsamen Beitrag zum neuen SELBST.
Jeder der inneren Anteile muss den anderen hören und auch gehört werden, damit ein wohlwollender, fördernder Umgang untereinander entsteht, der dem SELBST eine reife und bewusste Entwicklung ermöglicht. So dass das SELBST so nah bei sich und authentisch wie möglich leben kann. Wenn ich gehört werde, Wertschätzung für mich erfahre und gesehen wird, was ich brauche, dann können auch alte Wunden in mir zur Ruhe kommen und ich kann zur Weiterentwicklung des SELBST beitragen. Aber nur dann. Ich brauche Respekt und meine Rahmenbedingungen, damit ich mich zu einem reifen Partner aller Anteile des SELBST entwickeln kann. So kann ich weiter reifen, nachreifen und das in mir Angelegte und Mögliche zum Ausdruck bringen.
Beim tieferen Nachsehen erst, ist meine Andersheit zu erkennen, die mir gegeben ist. Bisher oft nur als große Bürde und vielleicht irgendwann einmal auch als Gabe. Also ist mir möglicherweise nur scheinbar etwas genommen und möglicherweise vielmehr gegeben. Mir ist ein neues SELBST gegeben, mit viel Liebe und Andersheit und mit Glaube und Vertrauen in das göttliche, universelle, große Ganze.
Vielleicht braucht mich das Universum mit meiner strahlenden Andersartigkeit, zu seiner weiteren Vervollkommnung. Möglicherweise war meine Andersartigkeit nicht anders herzustellen, als „solchen“ Rahmenbedingungen ausgesetzt zu sein.
Ich gehe vor und leuchte mit meinem Licht dorthin, wo es dunkel ist und wo sich noch keiner bisher vorgewagt hat, hin zu leuchten. Es ist vielleicht ein göttlicher Plan, dass ich nun den Teufelskreis der geschichtlich zumindest mitverantwortlichen, transgenerationalen Traumatisierungen unterbreche und meinen Kindern neues, befreites und unbelastetes Leben ermögliche und dem Universum etwas zurückgebe, das es selbst in seiner Entwicklung vorantreibt.
Möglicherweise ist dies nun meine verspätete Rebellion gegen aufgezwungene und schädigende Vereinbarungen der Anderen und anderer, um nun meine mir zustehende Freiheit zu erlangen. Ich löse mich nun radikal von Vater und Mutter und werde mir sozusagen, in Anlehnung an Goethe, selbst zu Vater und Mutter und eigenes Gesetz, auf dem Weg zur reifen Persönlichkeit. Ich entdecke meine Ich-Identität neu und lebe diese Existenz nun in einem neuen Zusammenhang, geschuldet meiner Geschichte und der daraus gewonnenen Erkenntnis.
Meine Aufgabe ist es nun, alle meine Facetten freizulegen, meinen eigenen Traum zu leben, um mich so gut wie möglich, nach dem mir aus der Urmaterie mitgegebenen Vermögen, zu entwickeln. Im Sinn von Hermann Hesse, meine Persönlichkeit so rein wie möglich zu entwickeln. Es ist geradezu meine natürliche, göttliche Pflicht, das was in mir angelegt ist, zu entwickeln und weiterzugeben.
Ich stehe nun mit den Anteilen des SELBST in wohlwollender und liebevoller Verbindung. Ich kann mich als Kind nun, nach meinen eigenen Vereinbarungen entwickeln und mich von den alten, überholten und nicht meinen und für mich getroffenen Vereinbarungen lösen. Auf diese beschriebene Weise, finde ich Versöhnung mit meiner Geschichte und zu innerem Frieden. Ich bin frei!".
Weitere Informationen
- Textquelle: dein-gesundheitsmanager
- Datum: Montag, 12 Mai 2014